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verbreitete Schrecken um seinen Thron. Glorreich wie sein Le-
den war auch sein Tod. An- einem Tage, wo er Heerschau
hielt über das Volk, verfinsterte sich plötzlich die Sonne, ein
Sturm erhob sich mit Donner und Blitz, und eine schwarze
Wetterwolke umhüllte den König, der von da an auf Erdeu
nicht mehr gesehen wurde. Das Volk, wurde unruhig und for-
derte Rechenschaft von den Senatoren. Da versicherten diese:
der Kriegesgott selbst habe den vollendeten Sohn auf feurigem
Wagen gen Himmel geführt. Ja, der Senator Proculus Julius
verkündigte einige Tage später in öffentlicher Volksversammlung:
Romulus Geist sei ihm in glorreicher Gestalt vom Himmel er-
schienen, habe Roms Bürgern Glück und Segen verheißen und
verlangt, daß sie ihn, jetzt zum Gotte erhoben, auch göttlich,
unter dem Namen Quirinus, verehren sollten. Seitdem ver-
ehrte ihn das Volk wirklich als seinen Gott Quirinus und ver-
gaß, daß er vielleicht von den herrschsüchtigen Senatoren er-
mordet sei.
Nach dem Tode des Nomulus blieb der Thron ein ganzes
Jahr hindurch unbesetzt, und der Senat selbst übernahm die Re-
gierung.^) Von den zehn ersten Senatoren — und das waren
die Vorsteher der zehn Decurien der Ramnes — regierte Jeder,
in wechselnder Ordnung, fünf Tage lang und hatte als Jnter-
rer die königliche Gewalt und ihre Insignien. Hätte das Volk
dazu geschwiegen, so würde wohl gar kein König wieder erwählt
sein. Allein es klagte laut über die neue Vielherrschaft und
drang mit Gewalt auf die Abstellung derselben. Zugleich regte
sich die Stammeifersucht der Römer und Sabiner. Der ganze
Streit wurde endlich mit dem Vergleiche geschlichtet, daß die
Römer aus dem Stamme der Sabiner wählen sollten. Ihre
Wahl fiel auf den durch Frömmigkeit und Weisheit hochberühm-
ten Sabiner Numa Pompilius.
tz. 12. Auma Pompilius. 715—672.
Dieser hatte zwar nicht den kriegerischen Sinn des Romu-
lus, aber alle Eigenschaften eines großen Gesetzgebers und eines
gerechten und weisen Regenten. Durch seine religiösen Einrich-
8) Eine solche Zwischenregierung wurde Interregnum genannt.
t
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Extrahierte Personennamen: Julius Romulus Numa_Pompilius Pompilius
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gegen und stellte sein Heer gegen die Albaner in Schlachtordnung
auf. Eben sollte der Kampf beginnen, als Mettus in die Mitte
beider Heere trat und den Tullns zu einer Unterredung einlud.
„Wir können es uns nicht verbergen, — sprach er bei der Zu-
sammenkunft — daß bloß Eifersucht die beiden benachbarten und
verwandten Völker gegen einander auf den Kampfplatz führte.
Warum wollen wir doch so vieles Blut vergießen! Warum
wollen wir uns einander selbst entkräften, und beide geschwächt
in die Hände unserer Feinde fallen! Lieber mag ein unparteii-
scher Kampf einzelner Männer aus deinem und meinem Heere
auf ewig entscheiden, welches Volk dem andern unterworfen sein
soll." Dem Tullns gefiel der Vorschlag. Beide gingen ausein-
der, um aus ihren Heeren die Tapfersten zu diesem Entschei-
dungskampfe auszusuchen. Zufällig dienten im römischen Heere
Drillingsbrüder, die Horatier, und eben so im albanischen, die
Curiatier. Diese boten sich freudig dazu da, den Kampf für die
Herrschaft auszufechten. Nachdem der Vertrag feierlich beschwo-
rcn war, griffen die drei Brüder beiderseits zu den Waffen und
traten unter lauten Ermunterungen und Ermahnungen ihrer Mit-
bürger in der Heere Mitte. Hier standen die Römer, dort die
Albaner vor ihrem Lager aufgestellt, voll banger Erwartung über
den Ausgang des nahen Entscheidungskampfes. Das Zeichen
wird gegeben, und der Angriff beginnt. Es blitzeil und klirren die
Schwerter durcheinander und Schauder durchfährt die Zuschauer.
Plötzlich stürzt ein Römer, und über ihn noch ein Römer sterbend
hin, und mit lautem Jubel begrüßen die Albaner das Glück ihrer
Streiter; während im römischen Lager Alle von Bestürzung und
Verzweiflung auf das tiefste ergriffen sind. Aber schwer ver-
wundet sind alle drei Albaner; der eine lioch übrige Römer da-
gegen ohne Wunden und frisch all Kraft und Muth. Dieser
nimmt plötzlich die Flucht und lockt die andern, ihn zil unter-
stützen. So trennt er listig die dreifache Gewalt, wohl voraus-
sehend, daß sie ihn nur so verfolgen können, wie es Jedem seine
schwächende Wunde zuläßt. Nach kurzer Flucht bleibt er stehen
und blickt sich um. Da sieht er seine drei Gegner weit von
einander getrennt, und einen schon ganz in seiner Nähe. Auf
diesen rennt er mit großem Ungestüin zurück; und während das
albanische Heer den Curiatiern zuruft, ihrein Bruder beizusprin-
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gen, fmt der Römer ihn schon erlegt und stürmt auf den Zwei-
ten los. Unter tausendstimmigem Zurufe der hoffnungschöpfenden
Römer gibt der Horatier auch diesem den Todesstoß. Und als
er endlich auch den dritten Albaner, der schwer verwundet und
fast athemlos herankriecht, niederbohrt, da erheben sich unter lau-
tem Jubel die Römer, und drangen sich um ihren Sieger, ihm
Glück zu wünschen. Frohlockend zog nun der Horatier, die Rü-
stungen der drei Curiatier im Triumphe tragend, an der Spitze
seiner jubelnden Mitbürger nach Rom. Vor dem Thore kam
ihm auch seine Schwester entgegen, die mit einem der gefallenen
Curiatier verlobt war. Als sie unter der Siegesbeute ihres Bru-
ders auch den Waffenrock erblickte, den sie selbst für ihren Bräu-
tigam gewirkt hatte, brach sie in lautes Wehklagen aus. Dieses
Gewinsel der Schwester bei seinem Siege, bei der so allgemeinen
Freude erzürnte den Jüngling. Wüthend zog er das Schwert
und durchstieß sie mit den strafenden Worten: „So fahre denn
hin mit deiner unzeitigen Liebe zu deinem Bräutigam, die du
deiner Brüder, der tobten und des lebenden vergaßest, deines
Vaterlandes vergaßest! Und so fahre künftig jede Römerin,
die einen Feind betrauert!" Diese That unterbrach die allge-
meine Freude; sie erfüllte Jeden mit Abscheu und Entsetzen. Der
Schwestermörder war der Todesstrafe verfallen. Allein sein jüngst
erworbenes Verdienst, und die Bitten und Thränen seines un-
glücklichen Vaters, der zu drei Kindern nun auch sein letztes ver-
lieren sollte, ließ ihn Gnade finden. Jedoch mußte er die Strafe
erleiden, daß er gebückt und mit verhülltem Gesichte von den
Lictoren unter das Schandjoch, eine Art von Galgen, hinge-
führt wurde.
Mit Unwillen ertrugen die Albaner die Abhänhigkeit von
Rom, und Mettus Fuffetius entwarf heimlich einen Plan zur Wie-
derherstellung der alten Unabhängigkeit und Freiheit. Er reizte die
benachbarten Fidenater und Vejenter zum Kriege gegen Rom auf
und versprach, im Augenblicke der Schlacht zu ihnen überzugehen.
Tullus zog gegen den Feind. Auch Mettus mußte mit seinen
Albanern zu den Römern stoßen. Kaum waren die Römer mit
den Vejentern handgemein geworden, als Mettus, zu feige, um
gerades Weges zu den Feinden überzugehen, mit seinem Heere
aufbrach und nach den nahe gelegenen Hügeln zog. Seine Ab-
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sicht war, hier den Ausgang der Schlacht zu beobachten und es
alsdann mit der Partei zu halten, zu welcher sich das Glück
Hinneigen würde. Als dem Tullns dieses gemeldet wurde, faßte
er sich schnell und rief so laut, daß selbst die Feinde es hören
konnten: ans seinen Befehl ziehe sich das albanische Heer seit-
wärts, um dem Feinde in den Rücken zu fallen. Dies erregte
Schrecken unter den Fidenatern und Vejentern. Zuerst nahmen die
Fidenater die Flucht, weil sie wirklich fürchteten, von den ver.-
rätherischen Albanern umzingelt und von-ihrer Stadt abgeschnit-
ten zu werden. Die Flucht der Fidenater zog auch bald die der
Bejenter nach sich. Jetzt eilte Mettus in die Ebene hinab zum
Tullns und wünschte ihm Glück zu seinem herrlichen Siege.
Tullns verbarg seinen Zorn. Er empfing den Verräther mit
Güte, als ob er nichts bemerkt hätte; beschicd aber beide Heere
ans den folgenden Tag zu einer Versammlung. Die Albaner
erschienen zuerst, alle ohne Waffen; bewaffnet stellten sich die
Römer um sie herum. Jetzt trat Tullns auf und enthüllte den
schändlichen Verrath des Mettus und verkündete die Strafe, die
er ihm und seinem Volke bestimmt hatte. Er selbst wurde an
zwei Wagen festgebunden, die Gespanne nach entgegengesetzter
Richtung angetrieben, und der Körper des Unglücklichen jämmer
lich zerrissen. Alle wandten voll Entsetzen ihre Augen ab von
einem so gräßlichen Schauspiele, das in der ganzen römischen
Geschichte das erste und letzte in seiner Art gewesen ist. Höchst
traurig war auch das Schicksal der Stadt Alba. Sie ward
geschleift, und der größte Thei! der Einwohmner nach Rom
abgeführt. Hier wies ihnen Tullns den Hügel Cälius zum
Wohnsitze an und zog diesen mit in das Gebiet der Stadt
Vierhundert Jahre hatte die ehrwürdige Mutterstadt Roms
gestanden, als dieser Schlag der Vernichtung sie traf. Frü-
her war sie das Haupt der latinischen Bundesstädte gewesen;
seit dieses gefallen, siährte Rom den Wunsch und die Hoffnung,
das erledigte Oberhoheitsrecht der Mntterstadt an sich zu bringen.
*) Roma interim crescit Albae ruinis , duplicatur civium numerus,
Caelius additur urbi mons. Livius I. 30. Übrigens darf man bei Alba
an eine gänzliche Schleifung wohl eben so wenig denken, als bei Mai-
land unter Friedrich I.
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küßte die Erde, als die gemeinschaftliche Mutter aller Sterblichen.
Der Spruch des Gottes ging an ihm in Erfüllung. Brutus
fand bald Gelegenheit, die Maske abzuwerfen und der Retter
und Befreier Roms zu werden. Tarquinius belagerte Ardea,
die befestigte Hauptstadt der Rutuler, die sich ihm nicht hatte
unterwerfen wollen. Eines Tages, als im Lager die königlichen
Söhne mit ihrem Vetter, dein L. Tarquinius Collatinus, bei
einem fröhlichen Gelage zusammen waren, kam das Gespräch
auch auf ihre Frauen, und Jeder räumte der seinen den Vorzug
ein. Es wurde beschlossen, sie in Rom zu überraschen. Lucretia,
Collatin's Gattin-, trug den Preis davon. Die anderen Frauen
fand man schwärmend in frohen Gesellschaften, während die Lu-
cretia allein sittsam und häuslich im Kreise ihrer arbeitenden
Sklavinnen saß. Einige Tage nachher ritt Sertus allein aus
dem Lager uach Rom zurück und entehrte mit roher Gewalt die
edele Lucretia, deren Schönheit in dem Herzen des wüsten Jüng-
lings eine unselige Leidenschaft entzündet hatte. Die unglückliche
Frau wollte ihre Schmach nicht überleben. Schleunigst ließ sie
ihren Gemahl nebst Brutus und einigen andern bewährten Freun-
den aus dem Lager herüberkommen, klagte ihnen jammernd die
erlittene Unbilde und stieß sich im Übermaße des Schmerzes vor
ihren Augen einen Dolch in die Brust. Da erhob sich zum Er-
staune« Aller der früher verkannte Brutus. Während Vater und
Gatte wehklagten, riß er den blutigen Dolch aus der Wunde,
ließ die Leiche der Selbstmörderin öffentlich auf dem Markte zur
Schau ausstellen und schwur Rache dem Frevler und der ganzen
königlichen Familie. Er hielt eine begeisternde Rede an das ver-
sammelte Volk und schilderte mit den grellsten Farben die Un-
thaten des Tarquinius und die Schmach des Volkes und wirkte den
Beschluß aus, nach welchem die Königswürde abgeschafft und Tar-
quinius mit seiner Familie auf immer verbannt wurde'). Sogleich
wurden alle Thore geschlossen, während der unermüdliche Brutus
nach dem Lager eilte und, in Abwesenheit des Königs, auch das
Heer gewann, so daß es sofort nach Rom aufbrach und sich hier
an die Bürger anschloß. Jetzt, von der Stadt und den Trup-
x) Incensam multitudinem perpulit (Brutus), ut imperium regi ab-
rogaret exulesque esse juberet L. Tarquinium cum coniuge ac liberis
Uv. I. 59.
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Stimmrechts auf dem Marsfelde versammelte Gemeinde ge-
währte vollkommen das Bild eines Heeres; und geordnet nach
Kriegesart in voller Rüstung, jede Schar unter ihrem Haupt-
mann, vergegenwärtigte sie jeden Augenblick den Sinn und die
Bedeutung der durch Servius getroffenen Einrichtung. Auf diese
neue Volksversammlung (oomitia eenturiata) übertrug der Kö-
nig die dreifachen Rechte, welche bisher die Curiatversammlung
(comitia curiata) gehabt hatte: die Wahl der vom Senate
vorgeschlagenen Magistrate, die letzte Entscheidung über Krieg
und Frieden und die Genehmigung oder Verwerfung eines Ge-
setzvorschlages des Senates. Jedoch blieben den Curiatcomitien,
d. h. den Altbürgern oder Patriciern, noch immer bedeutende
Rechte. Sie bestätigten die Gesetze und Wahlen der Centuriat-
comitien durch die Auspicien und verliehen den Magistraten das
Imperium.
Da die Verfassung des Servius zur Grundlage das Ver-
mögen hatte, dieses aber mit der Zeit sich vermehren oder ver-
mindern konnte; so fand alle fünf Jahre eine neue Schätzung
(66n8u8) statt, und diese erhielt durch ein hiermit verbundenes
feierliches Sühnopfer selbst eine religiöse Weihe. Nach diesem
Sühnopfer, welches Lustrum hieß, wurde der Zeitraum von fünf
Jahren selbst Lustrum genannt. An dem festgesetzten Tage
erschienen alle wehrfähigen Bürger auf dem Marsfelde. Hier
mußte Jeder vor dem Könige nach bestem Wissen und Gewissen
sein ganzes Vermögen und seinen ganzen Hausstand angeben:
sein Alter, seine Eltern, sein Weib und seine Kinder nebst dem
Orte, wo er angesessen, sei es auf dem Lande oder in der Stadt,
und Alles mit einem vorgeschriebenen Eide bekräftigen. Nach
diesem Census wurde die Vermögenssteuer, das s. g. Tributum,
bestimmt, von welcher jedoch die Proletarier frei waren D- Bei
der ersten Schätzung fanden sich schon 83,700 waffenfähige
Bürger. Seitdem nun nicht mehr erbliche Abkunft, sondern Ver-
b) Von der Steuer nach dem Census waren auch die Freigelassenen,
sowie Krämer und Gewerbetreibende ausgeschlossen. Diese entrichteten
bloß ein Kopfgeld für das Ärarium oder die Staatskasse, und sie selbst
hießen hiervon Ärarier. Von dem Census ausgeschlossen und unter die
Ärarier versetzt zu werden, gal. später für eine besondere Strafe. Dgl.
Huschte, die Verfassung des Königs Servius Tuüius. Heidelberg 1838.
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heimkehren. Der Senat fürchtete vor ihrer Rückkehr, und unter
dem Vorwände, die Sabiner machten neue Kriegesrüstungen,
wurden sie noch unter Waffen gehalten. Allein das Volk durch-
fchauete bald diese Arglist; und jetzt, nachdem es bei aller Hin-
gebung in seinen gerechtesten Erwartungen wieder und wieder
auf das grausamste war getäuscht worden, nahm es zu einem
verzweifelten Mittel seine Zuflucht. Mit den Waffen in der
Hand, seine Feldzeichen an der Spitze, brach es unter Anführung
des aus seiner Mitte gewählten Plebejers Sicinius Bellu-
tus auf, und lagerte sich auf einem anderthalb Stunden von
Rom, am Einflüsse des Anio in die Tiber gelegenen Berge,
welcher später der „heilige Berg" genannt wurde. Von hieraus
schauete es trotzig hinunter auf die verhaßte Tyrannenstadt.
Diese unerwartete Unternehmung belehrte den Senat, wie
sehr er sich durch seine Härte und Ungerechtigkeit geschadet hatte.
Das Volk strömte in ganzen Massen aus Rom nach dem heili-
gen Berge; die Wachen an den Thoren waren nicht im Stande,
dasselbe aufzuhalten. Durch Tumult in: Innern und Krieg von
Außen geänstigt, entschloß sich der Senat jetzt endlich zur Nach-
giebigkeit. Er schickte eine Gesandtschaft, und an der Spitze der-
selben M e n e n i u s A g r i p p a, den Liebling des Volkes, in das
Lager der Ausgewanderten, sie freundlich zur Rückkehr einzula-
den. Dieser führte das Wort und belehrte das Volk über die
bösen Folgen der Zwietracht durch eine Fabel. „Einst, — sprach
er - empörten sich die Glieder des Körpers wider den Magen.
Sie wollten es nicht länger dulden, daß dieser allein in behag-
licher Ruhe in der Mitte sitze und sich von den andern füttern
und tragen lasse. Sie versagten ihm also ihren Dienst. Die
Hände wollten keine Speisen mehr an den Mund bringen, der
Mund sie nicht aufnehmen, die Zähne sie nicht zermalmen.
Diesen Vorsatz führten die Glieder eine Zeitlang aus. Aber bald
merkten sie, daß sie sich selbst dadurch schadeten. Sie fühlten
nämlich, daß es der Magen sei, der die Säfte der empfangenen
Speisen durch alle Glieder vertheile und dadurch ihnen allen
Kraft und Munterkeit gebe. Sie ließen daher von ihrem Vor-
haben ab und söhnten sich wieder mit dem Magen aus." Das
Volk begriff bald den Sinn dieser Worte und sah ein, daß seine
Empöruug und seine Trennung dieselbe Schwäche und Hinfällig-
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100 _
erlassen und dafür mit dem Recht der gerichtlichen Anklage sich
zu begnügen. Das Volk zeigte sich auch willfährig und kehrte
nach Rom zurück. Das Decemvirat wurde abgeschafft, das Con-
fulat und das Tribunal mit feinen alten Rechten wieder hergestellt.
Die Zehnmänner selbst wurden alsbald, vorzüglich auf Betrieb
des Virginius, in Anklagestand gesetzt. Appius und Oppius, die
beiden schändlichsten, nahmen sich im Kerker selbst das Leben, die
übrigen kamen der Anklage durch freiwillige Verbannung zuvor.
So endete im Jahre 449 das Decemvirat, nachdem es
nicht drei volle Jahre bestanden hatte. Zum zweitenmal war
Rom durch die Mißhandlung eines Weibes frei geworden. Zn
Consuln für das Jahr 448 wurden die beiden um die Volks-
freiheit so hoch verdienten Männer, Valerius und Hora-
tius, ernannt. Diese erwarben sich ein neues Verdienst um
dieselbe durch vier besondere Gesetze, die sie erließen, wodurch
theils neue Rechte dem Volke bewilligt, theils schon vorhandene
neu bestätigt wurden: 1) Niemand soll eine Obrigkeit ohne
Provocation einsetzen, wer dieses aber wagt, soll als Hochver-
räther sterben. 2) Eine gleiche Strafe trifft den, welcher sich
an den Tribunen, Ädilen und plebejischen Richtern vergreift.
3) Die Beschlüsse der Tribus (plobiseita) sollen für die Ge-
sammtbürgerschaft eben so bindend sein, wie die der Centurien
(leges), wenn sie die Genehmigung des Senats erhalten ha-
den^). 4) Die Senatsbeschlüsse sollen im Cerestempel unter
Aufsicht der Ädilen bewahrt werden. Das letzte Gesetz wurde
offenbar in der Absicht gegeben, um jeder Unterschlagung oder
Verfälschung einer Urkunde vorzubeugen. Alle diese Gesetze be-
stätigte der Senat, zwar ungern, aber doch ohne Widerstreben.
Jetzt errangen auch die begeisterten Bürgerheere, von Valerius
und Horatius geführt, glänzende Siege über die Äquer und
Sabiner.
&) ut, quod tributim plebs jussisset, id populum teneret.
Liv. Iii. 55.
TM Hauptwörter (50): [T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
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übertrugen. Er eroberte die Festung Eryr, und diese bildete
fortan mit Lilybäum und Drepanum eine unüberwindliche Vor-
maucr seiner Macht. Von hieraus neckte und ermüdete er in
unaufhörlichen kleinen Gefechten fast sieben Jahre hindurch die
Römer; und wie ein schleichendes Fieber verzehrte dieser schwan-
kende Kampf die Lebenskräfte beides Republiken. In dieser ver-
hängnißvollen Lage beschlossen die Römer, noch einmal ihr Glück
zur See zu versuchten; und durch freiwillige Beiträge wurde
eine Flotte von zweihundert Kriegesschiffen ausgerüstet. Mit
dieser segelte der Cvnsul L u t a t i u s C a t u l u s nach Sicilien
ab und schloß Drepanum ein. Die karthagische Flotte kehrte ge-
rade, mit vielem Gepäck und Mundvorrath belastet, von Afrika
zurück: und Hanno, der Anführer derselben, beschloß jetzt, erst die
Schiffe bei Eryr zu erleichtern und dann die Römer anzugrei-
fen. Allein dieses Vorhaben vereitelte Lutatius. Mit seiner
ganzen Flotte rückte er ihm entgegen, nöthigte ihn bei den
ägatischen Inseln zur Schlacht und zersprengte und vernich-
tete das feindliche Geschwader (242). Da trug Karthago, er-
schöpft und unfähig, die ausgehungerten sicilischen Festungen län-
ger zu behaupten, um Frieden an, der im Jahre 241 unter den
Bedingungen zu Stande kam: daß Karthago Sicilien und die
benachbarten kleinen Inseln zwischen Italien und Sicilien räu-
men, binnen zehn Jahren dreitausend zweihundert euböische Ta-
lente (fast drei Millionen Thaler) an Kriegskosten bezahlen und
dazu alle römische Gefangenen unentgeldlich ausliefern, endlich
Hiero und die Syrakuser nicht länger bekriegen sollte. Die
Großmuth, mit welcher hier die Römer ihres treuen Bundes-
genossen Hiero gedachten, konnte nur dazu dienen, ihnen auch in
anderen Kriegen treue Mithelfer zuzuführen.
So endigte ein vierundzwanzigjähriger wechselvoller Krieg,
in welchem Rom durch Sturm und Feind siebenhundert, Kar-
thago fünfhundert Kriegeöschiffe verloren, und ein fortan untilg-
barer Nationalhaß tiefe Wurzeln geschlagen hatte. Sicilien, mit
Ausschluß von Syrakus, wurde die erste römische Provinzd-
Diesen Namen führten alle außerhalb des eigentlichen Italiens 5
5) Dieses Wort deutet in seiner Ableitung von provincere auf ein
Hinwegdrängen des Feindes hin. Daher Festus pag. 124.: Provinciae
appellantur, quod populus Romanus eas provicit, j. e, anle vicit.
TM Hauptwörter (50): [T23: [Rom Römer Krieg Italien Stadt Jahr Heer König Rmer Hannibal]]
TM Hauptwörter (100): [T55: [Rom Krieg Römer Jahr Heer Cäsar Hannibal Pompejus Marius Schlacht], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T89: [Stadt Spanien Insel Land Jerusalem Reich Afrika Jahr Araber Herrschaft], T15: [Schiff Flotte Hafen England Jahr Insel Engländer Meer Küste Kriegsschiff], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T27: [Krieg Römer Rom Hannibal Karthager Karthago Jahr Scipio Spanien Rmer], T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer]]
106
Neuerung und sagten: „der Kriegessold sei eine Last für das
Volk; die alten Soldaten, welche unentgeldlich gedient hätten,
würden es nicht zugeben, daß man die neuen auf ihre Kosten
bezahle." Als aber die Patricier zur Besoldung der Soldaten
sich selbst große Steuern ausiegten, und die reichen Plebejer ih-
rem Beispiele folgten, so hörte das Murren auf, und der Krieg
begann. In diesem Kriege unternahmen die Römer zum ersten
Male eine förmliche Belagerung in großartiger Weise, und
setzten diese Belagerung auch den Winter über fort. Zu
dem Zwecke wurden Zelte zu Winterquartieren erbauet. Ein
Damm mit hölzernen Wänden wurde vor den Mauern von Veji
aufgeführt, und auf demselben Sturmdächer errichtet. Allein die
Vejer vertheidigten sich tapfer, und der Krieg zog sich sehr in
die Länge. Nach manchen harten Unfällen ernannten endlich die
Römer im zehnten Jahre der Belagerung den M. Furius
E'amillus zum Dictator, und seitdem wurde der Krieg mit
größerer Kraft und glücklicherem Erfolge geführt. Mit einer
großen Streitmacht griff er zuerst die Bundesgenossen der Vejer,
die Falisker und Capenater, an und schlug sie entscheideud. Dann
rückte er vor Veji selbst und betrieb die Belagerung mit großem
Eifer. Er ließ einen unterirdischen Gang unter der Mauer her
graben, welcher in das Innere der Burg führen sollte. Tag
und Nacht, ohne Unterlaß, wurde hieran gearbeitet; man wußte,
daß Veji's Untergang nahe sei. Selbst der Glaube an Weissa-
gungen und Vorbedeutungen war hierbei von Einfluß für die
Römer. Ein gefangen genommener etruseischer Seher hatte
nämlich in Rom vor dem Senate erklärt: „die Schicksalsbücher
von Veji lehrten, so lange der Albanersee überströme, werde Veji
unüberwindlich sein; wenn sein Wasser das Meer erreiche, werde
Rom untergehen." Inmitten des Krieges begannen nun die Römer
mit Beihülfe ihrer latinischen Bundesgenossen und etruseischer
Werkmeister die überströmende Flut des Sees durch einen dreitau-
sendsiebenhundert Fuß langen, sechs Fuß hohen und viertehalb Fuß
breiten Abzugökanal (emissarwis) einzudämmen. Jetzt hielt man die
Einnahme der Stadt für gewiß, und als auch bereits die Mine bis
unter die Burg fortgeführt war, ließ der Dictator beim Senate
anfragen, wie es mit der Beute gehalten werden sollte. Es
wurde beschlossen, diese unter das Heer und alle diejenigen, welche
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